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Goethes „Hokuspokus … mit dem trüben Glas, worauf eine Schlange“. Eine Objektgeschichte

7,00 

ISBN: 9783959780865 | 32 Seiten | 4 Farb-Abbildungen. Broschur, geheftet.

Beschreibung

Stefan Grosche

Goethes „Hokuspokus … mit dem trüben Glas, worauf eine Schlange“. Eine Objektgeschichte

Im Deutschen Literaturarchiv in Marbach wird ein Ranftglas mit Weinrankenmotiv verwahrt, das von Hegels Nachfahren an das Archiv übergeben wurde. Dieses Glas habe Hegel – so dessen Nachfahren – 1821 von Goethe erhalten, es wird daher als “Goethe-Hegel-Glas” bezeichnet. Nun spricht einiges dafür, dass es sich hierbei um eine Verwechslung der Nachfahren Hegels handelt: in Goethes Werken, Briefen, Tagebüchern und Gesprächen wird immer nur das sogenannte “Karlsbader Glas” mit dem Schlangenmotiv beschrieben, das die Klassik-Stiftung in Weimar verwahrt.

Goethe verwendete zwischen dem Mai 1820 und dem Oktober 1821 erhebliche Mühe darauf, insgesamt elf derartige Gläser aus Karlsbad zu beschaffen und führte deren überraschende Farbeffekte gern seinen Weimarer Besuchern vor. Der Dresdner Arzt, Naturwissenschaftler und Landschaftsmaler Carl Gustav Carus hat nach seinem einzigen Besuch bei Goethe am 21. Juli 1821 die künstlerisch und optisch wohl exakteste Beschreibung des Glases mit dem Schlangenmotiv festgehalten: „So erinnere ich mich eines Glases, auf welchem die eingebrannte Malerei einer zusammengerollten Schlange sich befand. – Sah man sie an dem frei in hellem Licht stehenden Glase, so erschien die Schlange gelb, legte man hingegen ein schwarzes Papier in das Glas und betrachtete das Bild bei von vorn auffallendem Lichte, so glänzte es in prächtigem Ultramarinblau, während ein schief einfallendes Licht sogleich diese Farbe in angenehmes Papageygrün verwandelte.“ (Carus 1843)

Nicht alle der erworbenen Trinkgläser zeigten den Effekt des Farbwechsels so eindrucksvoll, wie Goethe ihn wünschte. Hegel erhielt jedoch am 24. Juni 1821 ein einwandfreies Exemplar und bedankte sich mit seinem Antwortbrief vom 2. August 1821 wie folgt: „… ich habe mich nicht genug ergötzen können, jetzt an der Unergründlichkeit des Phänomens, jetzt an dem Sinnreichen der Darstellung, jetzt an der Zierlichkeit der Ausführung, jetzt an der Fruchtbarkeit der Folgen, … Auch die Phänomene der abgeleiteten Farben treten so annehmlich hervor, wenn wir dazu schreiten, das Trinkglas seine spezifischere Bestimmung, mit dem verschiedenfarbigen Wein, erfüllen zu lassen. So instruktiv von je ein Glas Wein gewesen, so hat es nun durch Euer Exzellenz Wendung hieraus unendlich gewonnen.”

Die Familie Hegels (und auch spätere Autoren) beziehen sich in der Zuschreibung des Marbacher Trinkglases auf dieses im Brief erwähnte Weinmotiv. Jedoch geht schon aus dieser umständlichen und humorvollen Beschreibung des Geschenkes hervor, dass sich Hegel keineswegs auf das Weinrankenmotiv des Glases bezieht, sondern vielmehr das Glas seiner „Bestimmung“, nämlich dem Einfüllen und dem genüsslichen Leeren des Weines zuführt. Der bebilderte Aufsatz beschreibt eine Objektgeschichte dieses herausragenden und für Goethe hoch symbolischen Werkstückes, sammelt die verfügbaren Dokumente und Zeugnisse und legt die Verwechselung dar. Das sogenannte „Goethe-Hegel-Glas“ befindet sich hiernach nicht in Marbach, sondern in Weimar.

 

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